Psychosomatik als Wissenskultur
Das beschriebene Projekt findet vor dem Horizont der psychoanalytischen Kulturwissenschaften statt. Was diese ausmacht ist im folgenden Auszug aus der entstandenen Arbeit nachzulesen:
Artikel (PDF): Kulturwissenschaften – was ist das?
HINTERGRUND
Psychosomatik hat sich durch eine deutliche naturwissenschaftlichen Orientierung als Sprechende Medizin im medizinisch-akademischen Bereich etabliert. Nun werden jedoch vermehrt Rufe nach einer menschlicheren Medizinlaut. Damit steht die Psychosomatik vor der Herausforderung einer aktiven Zukunftsgestaltung: Wie kann auch die Integration ihres geisteswissenschaftlichhumanistischen Denkens gelingen?
ZIELSETZUNG
Ein kulturwissenschaftlicher Perspektivwechsel begreift Psychosomatik als eine Wissenskultur. Ziel der Untersuchung ist es erstens, deren Denkstil zu charakterisieren. Zweitens soll die sich daraus ergebende Wissensproduktion sowie deren Einuss auf die Inhalte des Wissens mit Hilfe der Wissenskulturforschung beschrieben werden. Damit kann die Gegenwart kritisch-reflexiv erhellt und, durch das Aufzeigen von Gewordenheiten, Veränderungen ermöglichen werden.
METHODIK
Es handelt sich um eine explorative Studie im parallelen Mixed Methods Design, bestehend aus leitfadengestützten Experteninterviews (n = 7) und einer quantizierten strukturierenden Frequenzanalyse von Abtracts des DKPM-Kongresses (n = 2133) der Jahre 1974 bis 2019. Die Datenintegration
fand in Form eines Joint Displays statt. Mit den Leitbegriffen des Denkstils (nach FLECK) und Doing Psychosomatics wurde ein theoretisch-methodischer Rahmen zur Produktion spezischer Wissenskulturen entwickelt.
ERGEBNISSE
Das vom psychosomatischen Denkstil geprägte Wissen zeichnet sich durch Nicht- Explizitheit aus. Dies erschwert eine wissenschaftlichen Anerkennung. Der Denkstil lässt sich dem Femininen Prinzip (Sullivan 1989) zuschreiben, wodurch er gesellschaftlich einer latenten Abwertung ausgesetzt ist. Daraus entsteht ein Widerstand gegen die Integration psychosomatischen Wissens in
andere (schulmedizinische) Wissenskulturen.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die psychosomatische Wissenskultur zeigt, dass ärztlich-klinisches Denken
weiterzufassen ist als Critical Reasoning/ Decision Making: Es findet als impliziter, verkörperter Prozess statt, der bereits eine Handlung darstellt. Der Ausbildungsforschung stellt sich die Aufgabe, sich mit den Bedingungen der Bildung und Explikation von impliziten Wissen zu beschäftigen. Psychosomatik bietet dafür eine Vielzahl an Stärken, die im Rahmen von Kooperationen nutzbar gemacht werden können.
Bisher dazu gelaufen:
DGPPN 2022
Walther, Juliane. ”Widerstände gegen das Wissen der Psychosomatik: eine kulturwissenschaftliche Mixed-Methods-Untersuchung” – DGPPN Kongress, Berlin, Germany, November 23–6, 2022
ICMA 2020, Oxford
Walther, Juliane. ”The interdisciplinary nature of psychosomatic knowledge: a mixedmethods study on german psychosomatics as a culture of knowledge.” – International Conference on Medical Humanities organized by the London Centre for Interdisciplinary Research. Oxford, England, March 14-15, 2020